Am 25. April 2010 holte sich Jeffrey Herlings im Alter von 15 Jahren seinen ersten Grand Prix-Sieg in der MX2-Klasse in Valkenswaard (Niederlande). Da hatte er gerade das dritte Mal überhaupt an einem GP teilgenommen. Und allein auf dem Sand des niederländischen Eurocircuits sollten noch acht weitere Siege folgen. Am 7. Mai 2023 durfte der 28-Jährige in Madrid in der sechsten Runde der aktuellen MXGP-Kampagne zum 102. Mal auf das Siegerpodest eines WM-Rennens steigen, womit er einen neuen Rekord aufstellte. Was er dazu zu sagen hatte, wirst du hier erfahren.
Es ist die zweite MXGP-Runde 2023, die FIM-Motocross-Weltmeisterschaft, Ende März auf Sardinien. Jeffrey Herlings hat mit seiner KTM 450 SX-F seit seinem letzten Sieg in der Meisterschaftssaison 2021 zum ersten Mal wieder gewonnen. Nach einem Fersenbeinbruch hatte sich der beliebte Niederländer weiteren chirurgischen Eingriffen unterzogen, um seine älteren Fußverletzungen endgültig in den Griff zu bekommen, weshalb er die gesamte Rennsaison 2022 aussetzen musste. Sardinien sorgte für Erleichterung, war aber auch eine Überraschung, da man nach so vielen verpassten Rennkilometern nicht davon ausgehen konnte, dass er so schnell wieder aufs Treppchen steigen würde.
Der Erfolg in Sardinien war auch deshalb bemerkenswert, weil er Jeffrey den 100. Triumph brachte. Er ist erst der zweite Fahrer, der in der Geschichte der FIM-Serie, die 1957 begann, 100-GP-Siege für sich verbuchen kann.
Nur einen Monat später erzielte Jeffrey in Runde fünf in Portugal seinen 101. GP-Sieg und stellte damit den Rekord von Stefan Everts ein, den der Belgier bei seinem letzten Weltmeisterschaftsrennen in Frankreich und dem letzten Rennen der Saison 2006 aufgestellt hatte.
Doch damit nicht genug. Seine beste Grand-Prix-Leistung der letzten Jahre lieferte der Holländer nur sieben Tage später, am 7. Mai in der Hitze von Arroyomolinos, südlich der spanischen Hauptstadt, mit einem Doppelsieg ab. Mit nunmehr 102 Siegen ist „Nummer 84“ der meistdekorierte Champion in der WM-Geschichte. Und die Zahlen hätten noch höher sein können, wenn man bedenkt, dass Jeffrey verletzungsbedingt seine Rennsaisons 2014, 2015, 2019, 2020 und 2022 vorzeitig beenden musste. Man kann es auch so ausdrücken: Wenn Jeffrey fuhr, gewann er. Tatsächlich hat er jeden einzelnen seiner Siege in den Farben von Red Bull KTM Factory Racing und mit der nahezu unveränderten technischen Crew bzw. dem gleichen Management eingefahren.
Das Team hat miterlebt, wie sich Jeffrey von einem frechen Teenager mit unbegrenztem Potenzial zum besten Sandfahrer, zum unerbittlichsten und ehrgeizigsten Rennfahrer überhaupt, zum fünffachen Weltmeister, zu einem echten Dominator (seine MXGP-Meisterschaft 2018 hat das Niveau des Grand Prix auf eine neue Stufe gehoben) und wahren Botschafter für die Performance der KTM SX-F-Technologie entwickelt hat. Er hat in 23 verschiedenen Ländern und auf 43 verschiedenen Strecken gewonnen. 18-mal hat er in Italien den Sieg erringen und 14 Mal die Fans in seiner Heimat in Begeisterung versetzen können.
Am Vorabend des entscheidenden Grand Prix von Spanien und direkt danach haben wir die Gedanken und Reaktionen des KTM-Motocross-Talisman eingefangen. Ein Mann aus den Niederlanden, der dem Sport seinen Stempel und die Farben von KTM aufgedrückt hat, mit seinen eigenen Worten …
Ist der erste (Sieg) immer am besondersten? Ich würde sagen „ja“, weil das der Moment ist, für den du von Beginn an lebst. Als ich klein war, fünf oder sechs, war es mein größter Traum, Weltmeister zu werden und einen GP zu gewinnen. Eines der Dinge, für die du am Anfang wirklich kämpfst, ist der GP, und dass ich den ersten mit 15 bei meinem dritten Versuch zu Hause in Holland gewann, das war echt einfach unglaublich.
Wenn mir damals einer gesagt hätte: „Ja, das ist dein erster GP und du wirst noch 100 weitere bekommen“, dann hätte ich dem geantwortet: „Alter, was hast du denn geraucht?“ Das war einfach nicht denkbar. Aber wir haben es geschafft … und wir sind immer noch stark dabei. Ich habe auch das Gefühl, dass ich ein paar Siege verpasst habe. Wir hätten diesen Punkt schon früher erreichen können. Wir sind immer noch in einer sehr guten Position, um in Zukunft noch mehr einzufahren.
Wann hast du zum ersten Mal gedacht, dass der Rekord möglich sein könnte? Ich würde sagen, 2018, gegen Ende der Saison, als ich 84 Siege in der Tasche hatte und erst 23, 24 war. Ich wusste, dass ich schnell aufsteigen würde und noch sieben bis acht Jahre vor mir hatte. Meine durchschnittliche Siegquote lag bis dahin bei zehn GPs pro Jahr. Außerdem dachte ich, dass zehn Meisterschaften möglich wären, aber das ist jetzt vorbei.
Wenn es nicht gut läuft und du mit Rückschlägen und Verletzungen zu kämpfen hast, sinkt auch die Motivation für das Training. Wenn ich anfange zu gewinnen, dann ist es wie bei einem Schneeball, der immer größer und größer wird. Für Geld muss ich das alles nicht mehr tun. Ich tue es, weil ich immer noch aus Leidenschaft fahre und gewinnen will. Auch wenn ich einige wirklich heftige Stürze habe, bei denen ich mich echt frage: „Mein Gott, warum tust du dir das noch an?!“ Ich stehe wieder auf und in Momenten wie in Portugal, wenn ich führe und wirklich dominiere, so wie früher, dann denke ich: „Ja, Junge, deshalb bist du hier draußen.“
Also eher der Weg und nicht das Ziel? Ja, stimmt. Vor allem all die harte Arbeit. An dem Freitagmorgen vor Spanien hatte ich ein riesiges Intervalltraining absolviert und war total kaputt. Aber ich habe mich selbst gezwungen, mich zu pushen und weiterzumachen. Denn die Opfer und die Anstrengungen, um ein Rennen zu gewinnen, die ganze Schinderei und das Training unter der Woche sind das, was mir am Sonntag schließlich Zufriedenheit und Glück beschert.
Ehrlich gesagt, habe ich nicht den einen Lieblingssieg, aber wenn du mich nach meinen fünf oder zehn besten Siegen fragen würdest, wüsste ich, was ich dir sage! Valkenswaard und mein erster 1-1, dann der 1-1, der mir die Weltmeisterschaft in Faenza [2012] sicherte, der 1-1 in Lierop [2012, wo er den Großteil des Feldes überrundete], der 1-1 in Assen, der mir die erste Meisterschaft in der MXGP einbrachte [2018], und das vor so vielen Heimfans … und auch der Sieg gegen Tony in Matterley Basin [2018] war etwas ganz Besonderes. Es gab viele großartige Siege, aber abgesehen vom ersten, nicht viele, die extrem hervorstechen.
In Portugal hatte ich den Rekord eingestellt… aber jemand anderes hatte schon 101 GPs gewonnen, also wollte ich ihn schlagen! Ich wollte, dass die nächsten sechs Tage möglichst schnell vergehen. Wenn ich es schon in Spanien nicht schaffen konnte, dann wollte ich es wenigstens versuchen. 101 war ein Ziel, aber ich wollte darüber hinausgehen und 102 bedeuten viel mehr als 101. Eigentlich war 100 sogar noch schöner als 101.
Heute [Sonntag, in Spanien] habe ich gewonnen, aber morgen früh sitze ich schon wieder auf dem Motorrad. Wir haben keine Zeit, einen Sieg so richtig zu genießen, so ist das eben im Rennsport. Aber dieser Rekord steht schon eine Weile auf meiner Wunschliste. Und deshalb freut es mich riesig, dass ich das geschafft habe. Stefan war einer der Besten aller Zeiten und er hatte starke Gegner, aber das ist in jeder Ära so. Ich hatte Gegner wie Jorge [Prado], Tony [Cairoli], Tim [Gasjer], [Gautier] Paulin, [Arnaud] Tonus; das waren auch schnelle Typen, vor allem Tony, gegen den es nicht einfach war zu kämpfen. Manche Leute sagen: „Ja, aber du hast doch 60 MX2-Siege …“. Das ist Quatsch. Ein GP-Sieg ist ein GP-Sieg. Stefan hat den 500er und 125er gewonnen. Jetzt ist jeder beim MXGP dabei, während er früher aufgeteilt war, weil es gute Jungs in der 125er, in der 250er und in der 500er Klasse gab. Ja, ein 250er-Sieg ist jetzt einfacher als ein 450er-Sieg, aber ein Sieg ist ein Sieg. Ich hoffe, dass ich noch ein oder zwei Weltmeisterschaften gewinnen kann und dann bin ich ziemlich zufrieden. Mal sehen, wo wir am Ende landen werden.
Jeffrey Herlings bricht Motocross GP Sieg Rekord