DER SPORTMANAGER DER MOTOGP™

Jens Hainbach hat einen lohnenden, aber auch heiklen Job bei KTM: als Vice President Sports Management Road Racing ist er für die Athleten-Verträge für alle Klassen der MotoGP™ für das Unternehmen verantwortlich. Sieben Jahre nach seinem Amtsantritt erzählt uns der 50-Jährige, wie das Talentprogramm heranreift und wie viel Potenzial inzwischen im KTM-Team steckt.

Von Adam Wheeler

Jens Hainbach, Vice President Sports Management Road Racing, feiert alle Podestplätze vor Ort. PC @Polarity Photo

Die „Silly Season“, also die Zeit im Rennkalender, in der Fahrer und Teams über ihre Veränderungen und ihre Zukunft entscheiden, ist immer einer der spekulativsten und faszinierendsten Abschnitte des Motorsportjahres. Die Fans freuen sich auf Klatsch, Tratsch und die Chance auf neue Gesichter auf neuen Bikes. Außerdem können sie es kaum erwarten zu sehen, wie sich die alteingesessenen Rennfahrer und aufstrebenden Stars schlagen werden.

In der Regel gilt: Je größer der Name, desto früher wird ein langfristiger Vertrag abgeschlossen. Aber es gibt auch unerwartete Wendungen im Fahrerlager, die für Stirnrunzeln sorgen (und die Tastaturen der Journalisten zum Glühen bringen). Ein ehemaliger Rennfahrer wie Jens Hainbach steht im Zentrum dieses komplizierten Geflechts von Verhandlungen und Diskussionen, bei denen es nicht nur darum geht, wo ein Fahrer angestellt ist, sondern auch darum, welches Team Werksunterstützung erhält, welche Farbe das Motorrad bekommt und wie die kurz-, mittel- und langfristigen Perspektiven für Projekte und Investitionen aussehen. Er hilft dabei, die Entscheidungsträger des Managements, die die Schecks ausstellen, an einen Tisch zu bringen, um sicherzustellen, dass die Pierer Mobility Group weiterhin an Grand-Prix-Rennen (sowie an Nachwuchsserien wie der FIM JuniorGP, dem Red Bull MotoGP™ Rookies Cup und dem Northern Talent Cup) teilnehmen und auf ihre Ziele zusteuern kann.

Deniz Öncü gewinnt GP am Sachsenring, Deutschland. PC @Polarity Photo

2023 hat Hainbach bereits einige interessante Gespräche geführt. Talente wie Daniel Holgado, Deniz Öncü und Jose Rueda glänzen in der Moto3™, während der ehemalige Moto3-Weltmeister Pedro Acosta große Fortschritte in der Moto2™ macht. (Tatsächlich ist er ein starker Anwärter auf einen Platz im MotoGP-Team des Unternehmens, wo KTM bereits Brad Binder und Jack Miller aufs Podium gebracht hat.) Dann gibt es noch andere Überlegungen, wie z. B. die Forderung, Jake Dixon aus der Moto2 in die Königsklasse zu befördern, damit das deutlich unterrepräsentierte Großbritannien stärker in der Startaufstellung vertreten ist.

Jens Hainbach hat also viel zu klären – ganz zu schweigen von der Frage, wie fortschrittlich und konkurrenzfähig die RC16 in dieser Saison sein wird und wie attraktiv es für KTM ist, an der MotoGP teilzunehmen. Doch so war es nicht immer. Um uns einen Überblick über seine Aufgaben und die aktuellen Anforderungen seiner Arbeit zu verschaffen, haben wir uns mit dem freundlichen Deutschen zusammengesetzt.

Jens, wie hat sich dein Beruf in den letzten fünf Jahren verändert?

Es hat sich einiges verändert, weil wir beschlossen haben, dass es von Vorteil wäre, wenn ein Vertreter der Pierer Mobility Group die ganze Zeit im Fahrerlager vor Ort ist. Diese Rolle kam mir zu, was bedeutet, dass ich viel unterwegs bin und weniger Tage im Büro verbringe. Aber damit habe ich kein Problem. Es ist einfach sinnvoll für all die Themen, die in den Klassen oder bei der IRTA oder Dorna aufkommen. Ich bin öfter in meinem Büro an der Rennstrecke als in Österreich! Die technische Seite und die Managementseite haben ihre Aufgaben gut untereinander aufgeteilt. Jeder weiß, was er wo zu tun hat, und wir setzen uns zusammen, um das Beste aus dem zu machen, was wir haben.

"Außerdem gibt es das Problem des „Platzmangels“ an der Spitze, also ist die Entscheidung für einen Fahrer besonders kritisch", so Jens. PC: Marco Campelli

Der „Fußabdruck“ des Unternehmens in der MotoGP hat sich nicht wirklich vergrößert, oder?

In der Moto2 hat er sich aufgrund der Beteiligung anderer Marken ein wenig verändert. Die Teams, die bereits mit uns verbunden waren, haben etwas mehr auf sich genommen, aber es hat auch etwas länger gedauert, bis wir sie mit allem versorgt hatten, was sie brauchen.

Wie schwierig ist es, einer Generation von aufstrebenden Talenten den Weg zu ebnen? Gibt es einen Unterschied im Umgang mit aufstrebenden und etablierten Stars?

Es ist äußerst schwierig. Deshalb brauchen wir die Hilfe und den Input von Teammanagern wie Aki [Ajo], Hervé [Poncharal] und anderen. Sie treffen eine Entscheidung und beobachten diese jungen Leute, um ihre Stärken und Schwächen zu identifizieren und zu sehen, was wir tun können, um sie zu verbessern und „erwachsen“ werden zu lassen, damit sie für die Herausforderung der MotoGP bereit sind. Man weiß nie, wie sich ein junger Fahrer entwickeln wird. Es zeigt sich erst später, ob man auf das richtige Pferd gesetzt hat. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Außerdem gibt es das Problem des „Platzmangels“ an der Spitze, also ist die Entscheidung für einen Fahrer besonders kritisch. Es ist immer ein bisschen Glücksspiel dabei.

Daniel Holgado vom Red Bull KTM Tech3 Team führt die Moto3 Weltmeisterschaft an dank seiner sehr erfolgreichen ersten Saisonhälfte. PC @Polarity Photo

Auf dem Weg dorthin müssen sicher einige schwierige Entscheidungen getroffen werden, weil die Fahrer zu unterschiedlichen Zeiten ihr Potenzial entfalten. Schließlich können nicht alle schon als Teenies echte Asse sein, wie Pedro Acosta.

Ja, man hat es mit unterschiedlichen Fähigkeiten, unterschiedlichen Charakteren und unterschiedlichen Hintergründen zu tun. Mit manchen Fahrern arbeitet man gern zusammen, merkt aber, dass sie ein bestimmtes Leistungsniveau nie erreichen werden. Das bedeutet einige harte Entscheidungen, die man eigentlich gar nicht treffen will, aber am Ende geht es nur um Leistung. So gesehen ist der Job ziemlich einfach, denn wir werden daran gemessen, was wir an einem Sonntagnachmittag erreichen, und das zählt für uns. Wir stellen sicher, dass uns so viele Informationen wie möglich vorliegen, bevor wir eine Entscheidung treffen. Dabei ist es nicht nur wichtig, was die Fahrer auf der Strecke machen, sondern auch, was sie abseits der Strecke tun, ihr Umfeld, ihre Freunde und wie sie sich verhalten und den Fahrer unterstützen. Es gibt viele Faktoren. Bei einem Motorrad ist es dasselbe: Es geht nicht nur um den Motor, das Fahrwerk oder die Aerodynamik, sondern um das Gesamtpaket, und das ist komplex. Bei Fahrern ist es noch komplexer, denn es gibt viele Dinge, die ihre Leistung beeinflussen, und viele Dinge, die man für ihre Zukunft berücksichtigen muss. Jeder macht Fehler, und das nicht nur einmal. Aber das Wichtigste ist, dass man aus ihnen lernt und versucht, denselben Fehler nicht zu wiederholen.

Pedro Acosta auf der Überholspur mit 4 Siegen und zwei Podestplätzen in der ersten Saisonhälfte. PC @Polarity Photo

2023 wurde GASGAS in der MotoGP eingeführt und die ehemalige KTM Tech3-Crew wurde komplett überarbeitet, einschließlich der Fahreraufstellung. War das ein Beispiel für so eine harte Entscheidung?

Es war eine harte Entscheidung, aber ich würde sie nicht als „Fehler“ bezeichnen. Wir hatten diesen Schritt geplant [nachdem wir 2022 zwei Neulinge dabei hatten] und wollten ihn auch umsetzen. Letztendlich hat es nicht so funktioniert, wie wir – oder irgendjemand sonst – es erwartet hatte. Also lernt man daraus, analysiert und trifft eine Entscheidung. Es hat mit beiden Fahrern nicht hingehauen. Jetzt ist die Situation jedoch anders und ich habe das Gefühl, dass wir insgesamt in einer viel besseren Ausgangssituation sind, abgesehen von den Verletzungen. Es macht uns Spaß zu sehen, wie sich die richtige Einstellung nicht nur auf die Ergebnisse, sondern auch auf die allgemeine Stimmung in der Box auswirkt. Natürlich hängt viel von der Bereitschaft des Motorrads und der Leistung der Maschine ab, vor allem, wenn es in den Kategorien so eng zugeht. Aber wenn ein Fahrer etwas mehr leisten oder besser abliefern kann als der Rest, dann ist die Frage nach dem Motorrad vom Tisch. Es geht immer um die Kombination. Für uns ist es viel einfacher, wenn das Motorrad gut läuft, denn dann rennt man uns praktisch die Bude ein. Das ist aber nicht immer so! In diesem Fall muss man die Fahrer überzeugen, auf andere Weise ihr Vertrauen gewinnen und ihre Ziele und Perspektiven für die Zukunft abstimmen.

Es muss auch schwer sein, die Vertragslaufzeiten mit den Talenten und den Möglichkeiten in Einklang zu bringen, die man den Fahrern bieten kann.

Sicher! Wir haben das Glück, dass wir große Unterstützung von unseren Chefs genießen, denn die allgemeine Philosophie lautet: „Warum sollten wir jemanden von außerhalb einkaufen, wenn wir unsere eigenen Fahrer aufgebaut haben?“ Wenn diese Fahrer verstehen, worum es uns geht und wie wir Rennen fahren, dann arbeiten wir gerne mit ihnen zusammen und schauen, wie wir sie richtig vorbereiten können, z.B. indem wir das Red Bull Athlete Performance Center besuchen. Es ist hilfreich, dass das obere Management und das Unternehmen auf derselben Seite stehen. Sie verstehen unseren Ansatz für den „Weg in die MotoGP“ und welche Vorteile es bringt, Geld in Fahrer in unserem eigenen System zu investieren, anstatt in externe.

Pedro Acosta hat einen Lauf in der Moto2-Saison. PC @Polarity Photo

Du hast das Wachstum in der Moto2 erwähnt. Geht es dabei genauso sehr um die KTM GP Academy und den „Weg in die MotoGP“ wie um das Branding?

Na klar. Es ist alles Teil der Pyramide. Die Basis in die Moto3, dann geht es eine Ebene höher in die Moto2, wo es weniger Platz gibt, wir aber trotzdem noch die Fahrer in ihrer Entwicklung verfolgen können. Und die versuchen dann, die nächste Ebene zu erreichen, in der es noch weniger Platz gibt: die MotoGP-Spitze. Nicht alle können die Spitze erreichen, und es gibt nur einen Platz ganz oben auf dem Podium! Genau diesen Platz wollen wir füllen. Die Moto2 ist auch wichtig für Werbezwecke. Außerdem gibt es einen klaren Unterschied im Charakter der Teams: ein cooles finnisches Team, ein heißblütiges spanisches Team und ein rationales deutsches Team. Man muss genau überlegen, wo man die Fahrer unterbringt, und den richtigen Charakter mit dem richtigen Team vereinen. Es ist schön, diese Möglichkeit zu haben.

Wird die Moto2 je wieder eine Fahrwerksentwicklungsklasse für KTM werden?

Wir sind ganz zufrieden damit, wie es jetzt ist. Auch in Bezug auf die Fahrer ist es gut, sie auf ähnlichen Bikes zu sehen und zu beobachten, welche von ihnen Fortschritte machen. Ich sehe keinen Bedarf für ein eigenes Fahrwerk in der Moto2.

In Mugello stellte Brad Binder auf seiner KTM RC16 einen neuen MotoGP™-Geschwindigkeitsrekord von 366.1 km/h auf. PC @Polarity Photo

KTM fährt überall und weltweit Rennen. Hat die MotoGP immer noch hohe Priorität für das Unternehmen?

Die MotoGP ist immer noch der größte Werbefaktor, den wir bei KTM haben. Der Wert dessen, was wir tun, und die Erfolge, die wir durch das Marketing erzielen, sind enorm. Das ist die Königsklasse. In diesem Jahr wurden Maßnahmen ergriffen, um die Rennen noch attraktiver zu gestalten, und die Samstagssprints bieten ein unglaubliches Maß an Spannung. Wir lieben sie einfach. Und wenn man Rennen wie in Jerez und Le Mans betrachtet, sind wir meiner Meinung nach bei der Meisterschaft auf dem richtigen Weg. Der Wettbewerb auf der Strecke war, glaube ich, noch nie so hart. Es ist sehr aufregend. Vielleicht sind hier und da noch ein paar kleine Anpassungen nötig, aber die sind bereits in Arbeit. All unsere Jungs, allen voran Brad und Jack, sind überglücklich, Rennen fahren zu dürfen, und wir sind mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden.

Schließlich hat KTM mit Namen wie [Pedro] Acosta, Öncü und Holgado Weltmeister, Rennsieger und MotoGP-Stars in Arbeit…

Deshalb machen wir das und wählen unsere Fahrer schon in jungen Jahren aus. Wenn wir einen Fahrer von den Rookies [Red Bull MotoGP Rookies Cup] rekrutieren und ihn in die Moto3 stecken, dann mit dem langfristigen Plan, dass er es in die MotoGP schafft. Man denkt nicht nur an die Moto3 oder Moto2, sondern an das ultimative Ziel, die besten Fahrer auf unser MotoGP-Bike zu setzen.